(UN)Recht in Belize?

Toledo, Belize. Der südlichste Bezirk im mittelamerikanischen Tropenland zeichnet sich aus durch seine wunderschöne Natur, perlweiße Strände, aber vor allem durch die reichhaltige Kultur der Maya, eine kleine indigene Gemeinschaft, welche hier ihre prachtvollsten Tempel und schönsten Städte errichtet haben. Ein wahres Eldorado, möchte man meinen – besonders für jene, die das Land als Erste nutzten. Das war es auch bis ins 16. Jahrhundert, als spanische Eroberer zum ersten Mal das ihnen unbekannte Land betraten. Man kann wohl mit gutem Recht behaupten, dass sich seitdem für die Maya wenig zum Guten entwickelt hat.

Hunderttausende Ureinwohnerinnen wurden entweder durch den Krieg mit den europäischen Besatzern oder durch von ihnen eingeschleppte Krankheiten getötet, ganz zu schweigen von der Versklavung großer Teile der Maya, die ihr vormals eigenes Land nun unter härtesten Bedingungen für die neuen Herrscher bewirtschaften mussten. Auf die Spanier folgten schließlich die Briten, die ebensowenig für die indigene Bevölkerung übrig hatten; diese wurde in Reservate gesperrt, ein Leben wie vor der Kolonialisierung schien unmöglich. Erst mit der Unabhängigkeit im Jahr 1981 begann Belize, sich schrittweise für die Minderheiten im Land einzusetzen, was besonders in der Verfassung, die im selben Jahr in Kraft trat, hervorgehoben werden sollte.

Grund zur Hoffnung für die Maya. Es folgte eine Zeit der Erholung, eine Zeit der Regenerierung. Anders als die meisten karibischen Staaten hatte Belize auch kaum Probleme mit einer möglichen instabilen Regierung oder staatlicher Korruption; einzig Bandengewalt sollte im Land einige Male für Aufsehen sorgen, auch eine hohe Armut innerhalb der Bevölkerung war vorhanden. Trotzdem schien es der Bevölkerung soweit gut zu gehen, bis erneut eine fremde Macht ein Auge auf das Land der Maya gelegt hatte.

US Capital Energy Inc., so lautet der Name des amerikanischen Konzerns, vermutete in Toledo große Mengen an Öl, auch das kostbare Tropenholz wurde zum Ziel auserkoren. Die Regierung von Belize konnte schnell überzeugt werden, Konzessionen für das Unternehmen zu beschaffen, der Bevölkerung machte man das Projekt mit der Aussicht auf neue Arbeitsplätze und einem wirtschaftlichen Aufschwung in der Region schmackhaft.

Eine erneute Bedrohung für die Ureinwohnerinnen, die Cristina Coc, eine Vertreterin der jungen Generation der Maya, auf den Plan rief. Coc schaffte es durch ihr Studium in den Staaten, Verbindungen mit einer Law School zu knüpfen, die sich freiwillig der Sache annahm. Von nun an kämpften die Maya Seite an Seite mit ein paar Studierenden gegen die Übermacht des amerikanischen Konzerns mit einer Heerschar von Anwältinnen.

Es fiel den Ureinwohnerinnen wohl weitaus leichter, Argumente für ihren Standpunkt zu sammeln. Neben der ursprünglichen Vertreibung durch die europäischen Besatzer, die ihnen das Land somit schon einmal gestohlen hatten (womit US Capital Energy paradoxerweise argumentierte; dass das Land eben wegen des Raubs nicht mehr im Besitz der Ureinwohnerinnen war), beriefen sich die Maya vor allem auf ihre eigene Definition des Eigentums. Entgegen dem (grundsätzlichen) westlichen Eigentumsbegriff, der vor allem auf die eigene Nutzung und den Ausschluss anderer Personen abzielt, hielt die indigene Bevölkerung auch nach der Kolonialisierung und der Vertreibung in Reservate an ihrer kollektiven Nutzung des Eigentums, insbesondere des Landes, fest. Mit anderen Worten: den Maya war es wichtiger, die Lebensgrundlage ihres Volkes und der Erhalt der Umwelt sicherzustellen, eine Gewinnerzielungsabsicht oder gar eine Vermehrung ihres Hab und Guts war ihnen fremd.

Wider Erwarten kam es im Jahr 2007 zu einer überraschenden Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts; dieses gab den Maya Recht und verbot die weitere Ausstellung von Konzessionen für Ölbohrungen und Waldrodungen. Auch die zweite und dritte Instanz stimmten der Entscheidung zu, bis sogar der Karibische Gerichtshof (die oberste Instanz in karibischen Staaten, die Mitglied der karibischen Gemeinschaft [CARICOM] sind; ähnlich wie die EU und der europäische Gerichtshof) im Jahr 2015 bestätigte, dass die Regierung von Belize die Landrechte der Maya anerkennen und schützen müsste (Präambel der Verfassung: Der Staat hat die Identität, Würde und die gesellschaftlichen und kulturellen Werte aller Völker von Belize zu schützen).

Ein Sieg also für Cristina Coc und vor allem ihr Volk, könnte man meinen. Das Recht kann immer nur so stark sein wie die Sanktions- und Vollzugsmöglichkeiten, die es vorsieht; in diesem Fall also gar nicht. Denn während die Maya feierten, vergab die Regierung seelenruhig weiter Konzessionen und unternahm nichts, um die Arbeiten aufzuhalten. Bis letztes Jahr hielten die Ureinwohnerinnen stand, doch schließlich mussten sie nachgeben, um zumindest den letzten Rest an Autonomie zu erhalten.

Zum Verhängnis wurde ihnen letztlich, dass sie kein Interesse am Geld der US-Amerikaner hatten, vielmehr war für sie der Erhalt der Gemeinschaft wichtiger. Dass dies in einem kapitalistischen System nicht gern gesehen wird, ist nur logisch. Das Eigentumsrecht wurde nicht für irgendwelche Ureinwohnerinnen geschaffen, die damit (nach wohl herrschender neoliberaler Meinung) nichts anzufangen wissen. Wohlstand für alle durch Nutzung der Einzelnen; aber die Einzelnen haben wohl eher wenig davon.

Wie viel ist Recht wert, wenn es nicht durchgesetzt wird? Wer hat Zugang zum, wer hat Kontrolle über das Recht?

Man kann am Beispiel der Maya in Belize sehr gut sehen, wie Recht als Mittel zur Herstellung sozialer Ordnung benutzt wird. Den Minderheiten, das sind meist sozial benachteiligte oder kulturell verschiedene Gruppen, kann so ganz klar deutlich gemacht werden, dass sie nicht auf der selben Stufe stehen. Dass sie nicht die selben Rechte haben, und selbst wenn, dass sie diese nicht durchsetzen können. Dass dies auf lange Sicht nicht funktioniert, ist auch klar. Denn Recht braucht immer eine Legitimation, und wo soll die noch sein, wenn offensichtlich illegale Machenschaften nicht mehr sanktioniert, sondern auch noch gefördert werden?

Hier geht es nicht nur um die Maya in Belize, es ist vielmehr weltweit ein Muster zu erkennen. Die schleichende Abnahme der Legitimität von Staaten und ihren Rechtsordnungen im Angesicht wachsender Ungleichheit ist mittlerweile unübersehbar. Die verheerenden Folgen davon könnten früher als erwartet spürbar sein.

 

Eigentum als Legitimität

 

https://www.cidh.org/annualrep/2007eng/Chap.3i.htm

https://en.wikipedia.org/wiki/Cristina_Coc

https://www.jcsbelize.org/pages/landRights.php

https://www.business-humanrights.org/en/latest-news/us-energy-company-must-suspend-oil-exploration-until-government-of-belize-obtains-free-prior-and-informed-consent-of-toledos-maya-and-garifuna-peoples-says-new-report/

https://amandala.com.bz/news/us-capital-to-begin-seismic-testing-shortly/

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