Geld für Gefängnis
Washington DC, USA/San Salvador, El Salvador. Dass Donald Trump kein großer Freund einer allzu gesetzestreuen Auslegung seiner Befugnisse als US-Präsident ist, wurde spätestens mit seinem versuchten Staatsstreich im Januar 2021 klar, als er das Wahlergebnis und somit seine Niederlage nicht anerkennen wollte und einen Aufstand am Kapitol anzettelte, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit ist mit Trump selbst nun endgültig auch die Gesetzlosigkeit ins Weiße Haus eingezogen, wie sich insbesondere am Beispiel der Abschiebungen vermeintlich Krimineller nach El Salvador zeigt.
Zuerst lohnt sich aber ein Blick in die Vergangenheit: Die Alien and Sedition Acts wurden 1798 vom erst zweiten Präsidenten der Geschichte der USA, John Adams, verabschiedet. Diese an der Zahl vier einzelnen Gesetze waren als Antwort auf die wachsenden Spannungen mit Frankreich geplant und zielten darauf ab, die nationale Sicherheit zu stärken. Darin waren unter anderem eine verlängerte Einbürgerungsdauer von vierzehn Jahren, die Ausweisung von als Bedrohung geltenden ausländischen Personen, sowie ein Verbot kritischer Äußerungen über die Regierung in den Medien festgeschrieben. Mit dem Ende der Amtszeit von Adams im Jahr 1801 wurden die Gesetze bald wieder aus dem Rechtsbestand gestrichen, einzig der Alien Enemies Act, der dem Präsidenten erlaubt, Bürgerinnen feindlicher Nationen während eines Krieges zu verhaften und auszuweisen, bleibt bis heute in Kraft.
Es mag kaum verwundern, dass Donald Trump, mittlerweile der siebenundvierzigste Präsident der USA, sich auf menschenrechtsfeindliches Kriegsrecht berufen musste, als er die Abschiebung von rund 260 ausländischen Personen veranlasste. Ein gebräuchliches und angemessenes Gesetz mit vergleichbarer Wirkung gibt es nämlich nicht. Es ist auch nur allzu denkbar, dass sich Trump die anderen Gesetze des Alien and Sedition Acts 1798 sehnlichst zurückwünscht, um oppositionelle Journalistinnen so leichter mundtot machen zu können.
Doch war die Anwendung des Alien Enemies Act überhaupt noch rechtskonform? Kann ein Gesetz, das seit dem amerikanischen Bürgerkrieg einzig in den beiden Weltkriegen angewendet wurde, auch bei einer Ausweisung verwendet werden? Diese Fragen hat sich auch Bundesrichter James Boasberg gestellt, der daraufhin die Abschiebungen (zumindest vorübergehend) blockierte. Dass rechtsstaatliche Institutionen für Donald Trump aber nur eine lästige Nebensächlichkeit darstellen, zeigt seine Entscheidung, die Menschen trotzdem ausfliegen zu lassen. Auch Boasberg muss nun, schenkt man Trumps Worten auf seiner eigenen Online-Plattform Glauben, um seinen Job fürchten, ein Amtsenthebungsverfahren soll in die Wege geleitet werden.
Auch damit nicht genug. Die mutmaßlichen Kriminellen wurden nämlich nach El Salvador gebracht, obwohl es sich hauptsächlich um venezolanische Staatsbürger handelte. Wie das geht? Das mittelamerikanische Land war bis vor einigen Jahren noch jenes mit der höchsten Mordrate weltweit, bis Diktator Nayib Bukele gegen die Gang-Gewalt mit eiserner Faust vorging und so gut wie jeden, der auch nur entfernte Verbindungen zur den kriminellen Organisationen hatte, in sein neues Mega-Gefängnis mit Platz für 40.000 (hauptsächlich) männliche Insassen gesteckt hat. Damit ist die Kriminalität in El Salvador zwar auf einem historischen Tiefpunkt, dafür sind auch fast zwei Prozent der gesamten Bevölkerung eingesperrt. Ein faires Verfahren gab es für so gut wie niemanden.
Nicht „nur“ am Gerichtsverfahren mangelt es, auch die Inhaftierungsbedingungen verursachen Menschenrechtsverletzungen am laufenden Band. Schon bei der Ankunft werden den Häftlingen die Haare rasiert, eine systematische Vereinheitlichung findet auch durch die ausschließlich weiße Kleidung statt, die jederzeit zu tragen ist. Betten gibt es nicht, genauso wenig Tageslicht; die grell-weißen Neonröhren an der Decke werden dennoch für vierundzwanzig Stunden angelassen. Besuch ist nicht erlaubt, auch Journalistinnen erhalten seit der Fertigstellung des Baus keinen Zutritt mehr. Diktator Bukele rühmt sich aber sogar der Zustände, in seinen Propagandavideos sind reihenweise schwere Misshandlungen zu sehen.
Die Finanzierung des Gefängnisses scheint aber noch nicht abgeschlossen, weshalb die salvadorianische Regierung Plätze im Gefängnis an andere Staaten verkauft. Dieses Angebot nahm Donald Trump wiederum dankbar an, der für die Deportation der 260 Menschen rund sechs Millionen US-Dollar bezahlte.
Der US-Präsident nimmt somit in Kauf, dass diese Leute ein Leben lang hinter Gittern verbringen müssen, obwohl nie auch nur ansatzweise bestätigt wurde, dass es sich hier tatsächlich um Verbrecher handelt, da nie ein Gerichtsverfahren stattgefunden hat; vielmehr sind es oft nur arme Einwanderer und Schutzsuchende, die sich in den USA ein besseres Leben erhofft hatten. Trump kann so aber sein Wahlversprechen, sich der illegal in den Staaten lebenden Menschen zu entledigen, einlösen. Dass dies auf der Verletzung unzähliger Menschenrechte basiert, scheint ihn nicht im Geringsten zu interessieren. Ob Trump irgendwann auch seine Kritikerinnen und Oppositionellen unter menschenrechtswidrigen Bedingungen willkürlich einsperren lässt, bleibt offen. Der erste Schritt wurde aber gesetzt.
Wer sich nun fragen mag, wieso solch ein Thema eine europäische Leserin betrifft, muss nur auf die Herbert Kickls und Alice Weidels in Österreich und Deutschland blicken. Donald Trump wurde wegen seiner Pläne über die Massenabschiebungen vor der Wahl fast ausschließlich belächelt. „Rechtlich unmöglich“, meinten Expertinnen. Dass Trump Gesetze aber egal sind, wurde nicht bedacht. Auch die FPÖ, die AfD und andere rechtsextreme Parteien werden wegen der rechtlichen Lage, wegen der Undurchführbarkeit von Abschiebungen ohne Verfahren, von Ausweisungen in Länder, in denen den Geflüchteten Verfolgung und Tod droht, nicht ernst genommen. Doch nicht umsonst bilden die selbsternannten Patrioten Europas mit Trump schon länger eine Allianz der Rechtslosigkeit, ein Bündnis, das sich ohne zu zögern über Grund- und Menschenrechte hinwegsetzen würde.
https://orf.at/stories/3388010/
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-migration-abschiebungen-100.html
https://orf.at/stories/3388167/
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/el-salvador-gefaengnis-102.html
https://www.archives.gov/milestone-documents/alien-and-sedition-acts#transcript